Das Traditionsgeschäft Schreibmayr schließt – seine Geschichte zeigt, wie Krisen auf Unternehmen wirken.
Seit 1826 steht der Name Schreibmayr in München für Schreibkultur. Nach der beinahe 200 Jahre währenden Firmengeschichte ist Ende des Monats Schluss für das Traditionsgeschäft – Corona und die Kapriolen des Münchner Mietmarkts haben das Aus besiegelt. 1826 gründete der Galanterie- und Futteralarbeiter Johann Nepomuk Schreibmayr die Firma – seitdem gehörten große und kleine Krisen zur Unternehmensgeschichte.
„Mit Wehmut lese ich in meiner Zeitung über das Ende des ,Schreibmayrs‘ , dabei fliegen meine Gedanken zurück in die Vergangenheit meiner Familiengeschichte, die 68 Jahre mit der Geschichte des ,Schreibmayrs‘ eng verbunden war“, sagt Dr. Beatrice Bischof, deren Großvater das Traditionsgeschäft nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut hat und ihm sein Gesicht der Neuzeit gab. „Der Schreibmayr war das Lieblingskind meines Großvaters“, erinnert sich Bischof.
Der kam 1928 zum Schreibmayr – ebenfalls eine Krisenzeit. Der Schreibmayr war ein Opfer der Inflation und der wirtschaftlichen Verhältnisse in den 1920er-Jahren. Beatrice Bischofs Großvater, Franz Bischof, und dessen Schwager Wilhelm Treuleben hatten nach dem Ersten Weltkrieg in den Hinterhöfen der Münchner Brauereien in der Kirchenstraße die Kalender- und Lederwaren-Fabrik TeBe gegründet. Der Zukauf des Schreibmayr im Jahr 1928 war für die Fabrikanten die Gelegenheit, den Unternehmensverband zu erweitern, der unmittelbare Kundenkontakt sollte bei der Gestaltung neuer Kollektionen helfen.
Es folgte die Weltwirtschaftskrise, die Machtergreifung der Nationalsozialisten und letztlich die Zerstörung des Ladengeschäfts in der Theatinerstraße in der Bombennacht vom 23. auf den 24. April 1944. „Unmittelbar nach dem Angriff versuchte mein Großvater noch zu retten, was zu retten war“, erinnert sich Bischof. Vorsorglich hatte der Unternehmer Ausweichlager in Dachau, am Tegernsee und in den Kellerräumen der TeBe-Fabrik angelegt – und er mietete einen kleinen Laden in der Residenzstraße 16 an.
Im Juli bezog der Schreibmayr seine neuen Verkaufsräume in der Theatinerstraße 9, im Haus der Hypo-Bank. „Mein Großvater sah die Residenzstraße nicht als sein Absatzgebiet“, sagt Bischof. Damit schloss sich ein Kreis: „Der Schreibmayr stand nun wieder an der gleichen Stelle, an der der Sohn des Gründers, der Magistratsrat Ludwig Schreibmayr, das erste Ladengeschäft eröffnet hatte“, sagt Bischof.
Der Umzug kurz nach der Währungsreform war ein Wagnis, das sich auszahlte. „Mein Großvater hatte seine Lebensaufgabe wieder“, erinnert sich Bischof. Und mit dem Eintritt der Junioren
Beatrice Bischofs Vater Fritz Bischof und dessen Vetter, wurde der Schreibmayr 1953 erweitert, eine leistungsfähige Druckerei aufgebaut. 1961 erweiterte Fritz Bischof den Betrieb erneut, im Wirtschaftswunderland wurde der Schreibmayr zum weltweit größten Abnehmer von Montblanc-Füllfederhaltern.
Die kommenden Jahrzehnte zeigten dennoch, wie sehr die Wirtschaft einem stetigen Wandel unterliegt: Die Fachhändler wurden mit dem „Problem Kaufhaus“ konfrontiert – so wie heute die Kaufhäuser unter dem Onlinehandel ächzen. Automatisierung und Computerisierung trieben die Kosten, die steigenden Mieten in München ebenso. Als der Hypo- Komplex 1996 umgebaut wurde, kam das Thema Standortsicherheit hinzu, reifte der Entschluss zum Verkauf des Schreibmayrs an die Kaut-Bullinger-Holding – „unter Erhalt der Arbeitsplätze und des guten Firmennamens“, so Bischof.
Jetzt werfen die Nachfolger in der Corona-Krise das Handtuch. Immerhin kommen sie ohne Entlassungen aus die Mitarbeiter kommen allesamt im Kaut-Bullinger-Haupthaus unter.
MARC KNIEPKAMP
Münchner Merkur Nr. 11 | Freitag, 15. Januar 2021